Die Vorsitzende der Esel-Initiative, Stefanie Christmann, war im September/Oktober 2019 in Nepal, um das Projekt in Humla zu prüfen. Sie hat die Klimaschädlichkeit des Fluges über eine Abgabe an www.atmosfair.de gemildert und die Reisekosten gespendet.
Parekali R. ist seit zwölf Jahren Witwe, damals waren ihre Kinder 2, 4 und 8 Jahre alt. Sie hat zwar das Haus und die Felder ihres Mannes geerbt, aber selbst bei guter Ernte reichen Hirse, Gerste und Kartoffeln nur für 5 Monate. Kleidung, Öl, Salz und vieles andere muss sie ohnehin kaufen, Schulgebühren müssen bar bezahlt werden, ebenso wie Schuluniformen, Hefte und Stifte.
Für Feldarbeit wird in Getreide gezahlt, pro Tag 2 ½ -3 ½ kg. Deshalb begann die damals 28 jährige Mutter nach dem Tod ihres Mannes mit Steinen und Holz zu handeln, obwohl sie beides auf dem eigenen Rücken tragen musste. Steine verkaufte sie im Dorf, aber Holz bis nach Simikot, das sind von ihrem Dorf 3 ½ Stunden steil bergauf – und zuvor musste sie in den Wald gehen, um das Holz zu suchen oder Äste abzuschlagen. Aber bezahlt wurde in bar, bis zu 500 Rupien (1 Euro = 125 Rupien), das war ausschlaggebend. Als Sahayog Himalaya Nepal (SHN) vor acht Jahren fragte, ob sie eine Kuh, ein Dschomo (Kreuzung zwischen Nak und Stier, die sehr viel Milch gibt) oder eine Eselin wolle, war für Parekali klar: „Ich wollte einen Esel, damit ich nicht mehr selbst schleppen muss.“
Inzwischen erwirtschaftet sie im Monat ca. 22.000 Rupien mit Warentransport und -verkauf. Außerdem trägt ihr Esel für Parekalis Familie Dung, Ernte und Waren, die sie in Simikot kaufen muss. Leuten aus dem Dorf transportiert sie außerdem die Ernte vom Feld nach Hause, erhält dafür Hilfe beim Pflügen und andere Hilfen. Bewohner anderer Dörfer müssen 500-600 Rupien pro Tag für den Transport der Ernte zahlen. Die Eselin, die Parekali erhalten hat, ist schon gestorben, aber das männliche Eselfohlen sei damals schon groß genug gewesen, die Arbeit zu übernehmen.
Parekali will sparen und sich wieder ein kleines weibliches Eselfohlen kaufen. Knapp die Hälfte ihres monatlichen Bareinkommens (10.000 Rupien) steckt sie in die Erziehung ihrer 3 Kinder. Die Jüngste geht in die 8. Klasse im Dorf, das sei nicht so teuer, aber die beiden älteren Kinder gehen in Simikot zur Schule, 10. und 12. Klasse, das kostet Geld für Unterbringung und Verpflegung; das College (Klassen 11-12) erhebt auch hohe Schulgebühren. Parekali ist sehr zufrieden mit ihrer Wahl des Tieres.
Humla – eine sehr entlegene Projektregion nordwestlich von Dolpa
Humla gilt als eins der Armenhäuser Nepals. Nicht eine der Mütter hatte zumindest ein Jahr die Schule besucht. Die meisten sprachen kein Nepali, sondern lokale Sprachen – wie tibetisch im Limi-Tal. Es gibt sehr wenig Infrastruktur, die Wege zu den Dörfern sind sehr steil, schmal und schlecht zu gehen. Kaum ein Tourist kommt nach Humla, obwohl die Landschaft und die hohe Biodiversität beeindruckend sind. Humla ist im unteren Teil sehr grün, dort gibt es Feldarbeit (Regenfeldbau auf Terras-sen mit Gefälle), es werden neue Häuser gebaut, die Wälder haben z.T. sehr kostbare Medizinalpflanzen, die massiv ausgebeutet werden. Das ist primär Männerarbeit, weil man Wochen oder Monate im Wald leben muss. Aber einige allein erziehende Mütter machen das ebenfalls, weil der Tagesverdienst sehr hoch sein kann, wenn man Glück hat und einen guten Standort findet.
Chauki S. beispielsweise blieb einen Monat im Wald und sammelte 3 Säcke voll. Sie bekam pro Sack 60.000 Rupien – aber dafür musste die 13jährige Tochter sich und ihren achtjährigen Bruder einen Monat alleine versorgen – und die Mutter ein hohes Sicherheitsrisiko al-lein im Wald eingehen. Chaukis erste Eselin ist gestorben, sie hat aber 3 männliche Fohlen und will einen Tausch machen, um wieder ein weibli-ches Eselfohlen zu bekommen. Auch Gahugora B. sammelt einmal im Jahr Medizinalpflanzen. Die Mutter von 4 Kindern ermöglicht damit dem ältesten Sohn eine technische Schule in Nepalgunj, das kostet 55.000 Rupien im Jahr. Die 15jährige Tochter Santi versorgt dann die jüngeren Geschwister und betreibt so lange mit dem Esel den Holzverkauf in Simi-kot, bis die Mutter genug Pflanzen gesammelt hat. Santi selbst ist in der 10. Klasse, sie würde gern zum College gehen.
Die Berge sind vor allem im südlicheren Humla sehr steil. Futter für die Tiere und Brennholz wird auf gefährlichen Berghängen geerntet, oft stür-zen Mensch und Tier in die Tiefe. Bei den Männern mag lokales Hirsebier das Risiko noch vergrößern, jedenfalls überwiegt auf der mittleren Höhen-lage bei den allein erziehenden Müttern die Zahl der Witwen. Hinzu kom-men Mütter, die verlassen wurden. Manche Männer starben an Krankheit, viele sind aber auch verschwunden, d.h. die Mütter wissen nicht, ob sie weggegangen sind oder abgestürzt und vom reißenden Karnali-Fluss mitgerissen oder Beute von Schakalen oder Schneeleoparden wurden.
Einige Witwen haben ihren Mann auch in den Kämpfen mit Maoisten verloren. Für die Beerdigungskosten müssen die Witwen oft 20-30.000 Ru-pien leihen. Sie haben keine Möglichkeit, zu einer Bank zu gehen, sie sind den lokalen Zinswucherern ausgeliefert, die oft 24% oder mehr Zins pro Jahr verlangen. Manche Mütter brauchen 10-15 Jahre, um die Schuld zu tilgen.
Ganz anders als der grüne südliche und mittlere Teil Humlas ist das Limi-Tal an der chinesisch-tibetischen Grenze. Es verzaubert mit seiner Ur-sprünglichkeit und erinnert in seiner Kargheit ans tibetische Plateau. Hier müssen die Felder bewässert werden, sie sind entsprechend geringer an Zahl und es gibt kaum Arbeit für allein erziehende Mütter – außer: im na-hen China auf Baustellen. Allein erziehende Mütter, die keinen Pflegefall zu Hause haben, schleppen dort etliche Monate im Jahr Sand und Steine. Die Hälfte des täglichen Einkommens (2100 Rupien) gehen für Unterbrin-gung, Essen und die Anfahrt verloren, so dass der Ertrag für die Schwerstarbeit in der Fremde deutlich niedriger ist. Man könne das auch nicht bis in hohe Alter machen, sagen die Mütter.
Im Norden, im Limi-Tal herrschte lange Polyandrie (nur der älteste Sohn erbt, nur er darf heiraten, mit seiner Frau sind auch seine Brüder verheira-tet; das verursacht Mangel an heiratsfähigen Männern und in der Folge viele unverheiratete Mütter). In Limi können die jungen unverheirateten Mütter aber bei den Eltern bleiben, zumindest bis der Bruder erbt. Inzwi-schen gibt es auch Realteilung.
2011 haben wir in Humla Tiere vergeben: 48 Esel, 187 Dschomo, 68 Nak, 7 Kühe und ganz im Süden 71 Wasserbüffel. Einige der alleinerziehenden Mütter waren bereits gestorben, aber die Kinder arbeiten nach wie vor mit den Tieren. Ich war in der mittleren Höhenlage (ca. 2.800-3.500 m; Esel, Dschomo, Kuh) und im Hochgebirge (Nak).
Esel – die Lastenträger der Mütter
Die Esel waren vor acht Jahren sehr schwer zu beschaffen. Aber sie haben im Dorf Thehe die unfruchtbaren Mulis nahezu vollständig zurückge-drängt. Es wimmelt dort nur so von Eseln. Größtenteils stammt der Nach-wuchs von unseren, aber einige Dorfbewohner haben 5-6 Jahre nach der Einführung auch Esel aus Tibet eingeführt.
2011 hat SHN auch einige männliche Esel zum Decken in die Region um Simikot gebracht. Das Los entschied, wer die männlichen bekam. Anfangs konnten die Mütter für die Zeugung noch einen Preis nehmen, aber inzwi-schen gibt es genug Esel beider Geschlechter.
Vor allem die Mütter, die bei der Vergabe schon mehrere Jahre Witwe mit mehreren kleinen Kindern waren und Jahre der Schwerstarbeit (Stein-, Holz- und Sandtransporte) hinter sich hatten, wollten Esel und kein Milch-tier. Einige Mütter haben Steine zu Kies zerklopft, große Steine transpor-tiert, mit der Hacke Felder umgepflügt (wird aus Mangel an Zugtieren viel-fach gemacht), im Straßenbau gearbeitet, Holz und Medizinalpflanzen gesammelt, auf dem eigenen Rücken getragen und verkauft – und das alles für sehr wenig Geld. Einige jüngere Mütter, die erst vor kurzem ver-lassen worden waren, wollten ganz gezielt Esel, weil sie wussten, dass sie im Transport viel Geld verdienen können.
Manche Mütter haben all ihren Eselnachwuchs behalten, andere vor allem männliche Esel verkauft. Von weiblichen Eseln trennen die Mütter sich nur in Notfällen. Jhihari B. musste das tun. „Ich hatte keine Wahl. Alle im Dorf wussten das. Mein einziges Kind hatte eine schlimme Infektion und musste schnell ins Krankenhaus geflogen werden. Ich musste den jüngeren meiner weiblichen Esel sofort verkaufen. Unter normalen Umständen hätte ich mehr als 40.000 Rupien bekommen, aber es wussten ja alle, dass ich zu jedem Preis verkaufen würde, um meinen Sohn zu retten.“ (S.C.: 60.000 Rupien hätte sie mindestens bekommen müssen, eher mehr.)
Jhihari war lange vor der Vergabe von ihrem Mann verlassen worden. Sie konnte das Zimmer und das kleine Feld behalten, aber die Ernte reicht bestenfalls für drei Monate. Oft brachte sie ihr Kind bei Verwandten unter und ging für Wochen Medizinalpflanzen im Wald sammeln. Sie arbeitete auf den Feldern für Getreide-Entlohnung und vor allem trug sie Steine zu Baustellen. Für einen Kubikmeter gut zugehauener Bausteine (18-20 Ta-ge Arbeit) bekommt man 5000 Rupien. Heute macht sie diese Arbeit mit dem Esel, das geht schneller und vor allem viel leichter. Sie hat wie die anderen Mütter, die Steine transportieren, Tragetaschen aus Leder ge-macht. Zuerst wird eine Decke auf den Rücken des Esels gelegt, danach ein Holzgestell umgeschnallt und daran werden die Ledertaschen befestigt. „Nachdem wir den Esel hatten, kamen wir endlich aus unseren Lum-pen heraus, und es wurde einfacher, alles für die Schule zu bezahlen.“ Vor 3 Jahren erkrankte ihr Sohn, „die Medizin und den Arzt konnte ich noch bezahlen, aber vor 6 Wochen schwoll mein Sohn plötzlich am ganzen Körper an, es war klar, er muss sofort ins Krankenhaus. Dort ist er noch.“
Die Mütter nutzen ihr Einkommen unterschiedlich und wollten aus unter-schiedlichsten Gründen einen Esel. Baajkala B., eine Witwe mit 2 Kindern, holte mit ihrem Esel Steine und baute zwei Zimmer an ihres an, eins für jeden Sohn, so dass die jungen Familien bei ihr blieben. Dem Esel baute sie einen Stall. Gahugora B. hat sich mit Hilfe des Esels selbst eine Toilette gebaut. Rugu R. holt mit ihrem Esel Reis aus China für sich und den Verkauf (4-Tagestour). Thuli B. erklärte: „Ich wollte einen Esel statt eines Milchtiers, weil meine Älteste eine Tochter ist. Ich dachte sofort, ein weibliches Eselfohlen wäre später eine wunderbare Mitgift.“
Die meisten Mütter verdienen mit dem Esel 15-20.000 Rupien im Monat. Mit Feldarbeit könnten sie nie so viel verdienen, meist wird in Getreide bezahlt. Falls doch ein Bauer in bar bezahlt, sind es höchstens 500 Ru-pien am Tag. Wie viel Geld eine Mutter in Simikot für ihr Holz bekommt, ist unterschiedlich: „Wenn ich Glück habe, und es gibt gerade keinen Strom in Simikot, bekomme ich 1000 Rupien für die gesamte Holzladung, wenn ich Pech habe und sie haben dort Strom, sind es nur 500,“ erklärte Bishnu S.
Die Dschomos
Die meisten Dschomo-Besitzerinnen sind froh über ihre Tiere, aber einige Dschomos sind auch gestorben, ohne guten Nachwuchs zu hinterlassen. Der Nachwuchs von Naks ist hochwertiger und erzielt bessere Preise, um sich wieder ein Muttertier zu kaufen. Ichin T. wollte ein Dschomo, weil ihr Vater sehr alt und hilfsbedürftig; ihr Bruder war noch zu klein, um eine Hilfe zu sein. Ichin selbst wurde mit Anfang 20 von ihrem Mann mit zwei kleinen Kindern verlassen. Sie zog zurück ins Haus ihres Vaters, aber der Bruder wird wahrscheinlich Haus und Felder erben. Sie hofft, ein Zimmer zu erhalten. Ichins Sohn ist inzwischen 18 und besucht die 8. Klasse, die Tochter ist 20 und sogar im College (Klasse 12 in Simikot).
Ichin ist sehr glücklich über ihr Dschomo, es hat bereits 3 Tolpini (weibliche Kälber) und ein Tolpo (männliches Kalb) geboren. Das Tolpo pflügt schon und trägt Lasten. Tolpos sind nicht so stark wie Yaks, aber für die kleinen Felder und Tagesstrecken völlig ausreichend. Ichin hat 1 Tolpini für 40.000 Ru-pien verkauft und 2 behalten, zusammen liefern sie so viel Milch wie das Dschomo. Ichin erwirtschaftet 15 kg Ghee (Butterschmalz) und 15 kg Tschurpi (Hartkäse) im Jahr, die Hälfte konsumiert die Familie, die andere Hälfte wird verkauft. Sie verdient in bar 10.000 Rupien an Ghee und 4000 Rupien über Tschurpi. Allerdings muss sie viel Futter für den Winter ho-len, denn Dschomos und ihr Nachwuchs haben dünnes Fell (wie Kühe) und können nicht wie Yaks im Winter auf den Hochweiden ihr Futter su-chen. Ein Tolpini ist derzeit erneut tragend. Tolpini können von Stieren und Yaks Nachwuchs bekommen. Falls sie in Geldnot geriete, würde sie das Tolpo verkaufen, die Tolpini und das Dschomo aber behalten.
Bhagawati S. (mittlere Höhenlage) sagte lachend: „Ich wäre über jedes Tier, das mir geschenkt wurde, überglücklich gewesen, aber am liebsten wollte ich ein Dschomo. Damals war ich 35 Jahre alt, schon seit zwei Jahren Witwe, meine vier Kinder wollten essen, sie brauchten Kleidung und Schule. Ich wusste: Ein Dschomo würde so viel Milch geben, dass ich auch noch verkaufen kann.“ Wie alle allein erziehenden Mütter arbeitete sie auf den Feldern, im Straßen- und Hausbau und holte Futter von den Steilhängen für andere Familien.
Sie ist eine sehr pfiffige Frau und nutzte ihre kleinen Felder auf mittlerer Höhenlage schon vor 10 Jahren geschickter als die anderen Mütter heute. Statt fast nur Hirsearten für den eigenen Verbrauch an Grundnahrungsmitteln anzubauen, säte sie im Sommer auf einem Teil der Felder Gurken, grünen Chili und Bohnen und verkaufte die Ernte in Simikot. So bekam sie Bargeld, um das Nötigste für ihre Kinder zu bezahlen. Allein mit Gurken verdiene sie im Jahr 2.500 Rupien. Sie bot einem Mulibesitzer an, seine Tiere zu füttern, wenn er sie nicht brauche, und durfte im Gegenzug mit den Mulis ohne Miete Holz in Simikot verkau-fen. So verdient sie 1-2 Mal im Monat 1000 Rupien zusätzlich. Sie macht den Hütedienst im Sommer nicht selbst, aber der Verwandte, der dafür Reis und einen Teil des Ghees bekommt, teilt mit ihr. Sie erhält 8 kg Ghee im Jahr und verkauft die Hälfte.
Ihr Dschomo hat 2 Tolpo und ein 1 Tolpini geboren, 1 Tolpo ist gestorben. Sie will Tolpo (4 Jahre) und Tolpini (3 Jahre) behalten und selbst nutzen. „Den Dung habe ich ja schon jetzt. Ich bringe alles auf meine Felder und hätte gern noch mehr.“ Die erfinderische Mutter hat sich sogar mit einem Stück Plastik selbst ein 4,5 m2 großes Gewächshaus gebaut, in dem sie im Winter Sark (ähnlich Mangold) und Weißkohl für die eigene Familie anbaut.
Die alleinerziehenden Mütter im Limi-Tal
Das Limi-Tal ist durch den Nyalu-Pass (5141 m), einige andere Pässe und eine relativ lange unbesiedelte Wegstrecke von den Dörfern auf der mittle-ren Höhenlage getrennt. Im Tal gibt es mehrere Dörfer zwischen 3577 und 4152 m. Wir haben aufgrund der Polyandrie in dieser Region fast ausschließlich an unverheiratete Mütter vergeben. Bis auf eine Mutter, die ein Dschomo wollte, haben alle Naks gewählt.
Während meines Besuchs waren viele Mütter in Taklakot (China) arbeiten, so dass wir teilweise mit Töchtern, Müttern, Schwestern und manchmal auch Söhnen gesprochen haben. Die Mütter der Orte Halji und Dzang hüten ihre Naks gemeinsam. Vor drei Jahren sind bei einer Lawine die meisten der von uns vergebenen Naks dieser Herde umgekommen. Die Kälber und Jungtiere waren zum Glück zu der Uhrzeit noch seitlich der Lawine im Pferch (zum Schutz vor nächtlichen Übergriffen durch Schneeleoparden) und überlebten. Inzwischen hat sich die Herde wieder gut erholt, da die Naks im Limi-Tal erfreulich viele Nachkommen haben.
Yang L. beispielsweise, Mutter einer 9 Jahre alten Tochter (2. Klasse) verlor ihr Nak, aber das Nak hatte zuvor schon 1 Dschomo, 3 Yaks und 1 Nak geboren, das wiederum 1 Yak ge-bar. Yang hat 2 Yaks für je 65.000 Rupien verkauft und die anderen Tiere behalten. Yang und ihre Tochter wohnen bei der Mutter, die gepflegt wer-den muss, deshalb kann Yang nicht wie fast alle anderen alleinerziehen-den Mütter und die männlichen Schulabgänger in Taklakot arbeiten. Die 3 Frauen leben von den Nachkommen des Naks.
Die 6 Sommermonate sind die Hochsaison der Milchproduktion, im Winter reicht es nur für den Eigenverbrauch. Aber während der Sommermonate produzieren Yangs Tiere 16-17 kg Ghee pro Monat und Tschurpi. Übers Jahr gerechnet hat sie trotz großen Eigenverbrauchs – die Milchprodukte sind die wichtigsten Lieferanten für Fett (Wärme) und Protein auf dieser Höhe – 8000 Rupien pro Monat in bar aus Milchprodukten. Davon kann man nicht üppig leben, aber man ist unabhängig von Jobs in China.
Auch Kundul L.‘s Mutter ist ein Pflegefall. Aber ihre Mutter hat Felder, deren Ernte zumindest für 6 Monate reicht. Zusätzlich arbeitet Kundul auf den Feldern anderer, aber sie kann ihre Mutter und die zwei kleinen Söhne nicht so lange allein las-sen, um in Taklakot zu arbeiten. Auch sie hat ihr ursprüngliches Nak in der Lawine verloren, aber von diesem Nak 3 Yaks und 2 Naks. Eins die-ser Naks hat ein Nak geboren, das kürzlich ein weiteres Nakkalb warf. Kundul hat alle Tiere behalten, sie nutzt den vielen Dung selbst und tauscht ihn gegen Reis.
Die inzwischen 33jährige Buti T. kam vom Hütedienst auf den Hochweiden extra ins Limi-Tal und erzählte von der harten Arbeit in Taklakot. Sie lässt dann die Kinder, 8 und 4 Jahre alt, bei der Mutter und geht für 2-6 Monate nach China. Die Frauen müssen erst tagelang zu Fuß laufen und dann einen Jeep bezahlen, sie müssen Bettwäsche mitnehmen und übernachten in Gruppenräumen. 8 Stunden werde gearbeitet: Erdboden ausheben, Steine, Sand und nassen Beton tragen, es sei sehr hart selbst für junge, starke Frauen.
Ihre ältere, ebenfalls allein erziehende Schwester Yangdzin T. arbeite selbst im Winter in Taklakot, dann kehre sie die Dächer frei von Schnee und webe. Aber für eine Decke müsse man 10 Tage nonstop weben – und bekäme dann 16.000 Rupien, von denen Essen und Übernachtung für die 10 Tage natürlich abzurechnen seien. „Meine Schwester ist jetzt 42. Sie wird schon häufiger krank. Lange kann sie nicht mehr in China arbeiten. Danach bleiben nur Feldarbeit und Dung sam-meln hier im Tal, aber davon kann man nicht leben.“ Im Limi-Tal helfen die Naks und ihre Nachkommen oft allein erziehenden Müttern und ihren Kin-dern beim Überleben auf niedrigstem Niveau, wenn die Mutter nicht mehr arbeiten kann.
Etliche Mütter hatten inzwischen zu schwere Knieprobleme. So nahe der chinesischen Grenze werden auch Naks geschlachtet. Als Butis ursprüngliches Nak alt wurde, hat sie es, solange es gut in Fleisch und Fett stand, für 57.000 Rupien verkauft und sich davon ein junges Nak gekauft. Die Nachkommen des ersten Naks hat sie noch. Buti sorgt sich um die Schwester. „Ihre Kinder sind älter als meine, aber Yang-dzins Jüngster ist erst in der 3. Klasse.“ Yangdzins Nak war nicht von der Lawine betroffen und lebt, ebenso die drei Nachkommen (2 Yaks, 1 Nak). Die Schwestern sind in derselben Hütegemeinschaft.
Wir haben Naks auch in zahlreichen anderen Orten außerhalb des Limi-Tals vergeben, wo die Dörfer niedriger (ca. 3000 m) liegen, es aber aus-reichend Hochweiden gibt.
Unser Engagement in Humla
Aufgrund der hohen Anzahl neuer allein erziehender Mütter wollen wir im nördlichen Teil von Humla systematisch erheben, wer inzwischen allein erziehende Mutter wurde und diesen Müttern Naks bzw. Gewächshäuser geben. Wie in Upper Dolpa gibt es während der Sommermonate Sark, die meiste Zeit des Jahres aber gar kein Gemüse.